Sonntag, 9. November 2014

Du sollst nicht töten

Die Bedeutung der Juden besteht darin, dass sie den Willen Gottes in der Tora verkündeten und unmissverständlich deutlich machten, dass die wahre Frömmigkeit das Tun des Willens Gottes einschließt. Was will Gott? Juden haben selbst gefragt, was unter den Hunderten von Vorschriften und Verboten, die in den fünf Büchern Mose enthalten sind, das höchste Gebot ist. Es gibt nicht nur die zehn Gebote als eine Art Zusammenfassung des Willens Gottes: Nicht stehlen, nicht lügen, nicht neiden, nicht betrügen, keine falschen Eide schwören, Mitmenschen Erfolge gönnen, einander achten, Fremdlingen, Witwen und Waisen helfen. Es ist auch überliefert, dass Schriftgelehrte im Gespräch mit Jesus darin einig waren, dass Gottesliebe und Nächstenliebe die wichtigsten Gebote seien (Markus 12,28-33). Wie steht es aber mit dem Gebot: „Du sollst nicht töten?“ In der hebräischen Bibel wird von unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen berichtet, die oft von Gott selbst befohlen und angeführt werden. Siege über Nachbarvölker werden bejubelt, auch wenn Tausende dabei getötet werden, ja sogar, weil so viele Feinde getötet wurden. Der Krieg bedarf gar keiner Rechtfertigung, weil er selbstverständliches Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Völkern ist. Wie ist aber das Töten im Krieg mit dem Gebot „Du sollst nicht töten“ zu vereinbaren? Die Auslegung der jüdischen Schriftgelehrten wird durch neue Bibelübersetzungen bestätigt: Dies Gebot lautet in Wirklichkeit: Du sollst nicht morden. Es bezieht sich auf die kriminelle Tat von einzelnen Verbrechern. Töten im Krieg ist kein Mord. Feinde werden oft Mörder genannt, die Geschichtschreibung handelt oft von mörderischen Kriegen. Aber wann wären je die Kriegsknechte oder Soldaten, die ihrer „Obrigkeit“ gehorcht, für sie gekämpft und gesiegt haben, von ihr selbst als Mörder vor Gericht gestellt worden? Das gilt auch für den Gott Israels und für die Kriege, die in seinem Namen geführt wurden. David wird vom Propheten Nathan im Auftrag Gottes beschuldigt, dass er die Ehe mit Bathseba gebrochen hat und ihren Mann Uria ermorden ließ. Aber wo wird er für seine vielen Kriege angeklagt, in denen viele tausend Feinde getötet wurden? Auch der Messias Jesus aus Nazareth bezeichnet den Hauptmann Kapernaum nicht als Mörder. Und doch widerspricht er fundamental nicht nur seinen jüdischen Zeitgenossen, sondern auch dem Jahrtausende alten Gewohnheitsrecht der Völker, Krieg zu führen.